Radio-Boykott zwingt den "Peter Pan des Pop" zur Beendigung seiner Platten-Karriere "Something's Going On" wurde ignoriert. Konzerte will der 64-Jährige aber weiterhin geben
Von Ulrich Schilling-Strack London. Cliff Richard wirft das Handtuch. Nach 146 Singles und 67 Alben beendete der 64-Jährige eine einmalige Schallplattenkarriere. In bereits sechs Jahrzehnten werden die Hits von Sir Cliff in den Top Ten der meistverkauften Musikträger geführt - ein einsamer Rekord, der ihm einen Eintrag in die goldenen Annalen der Pop-Musik garantiert.
Der Rückzug vollzieht sich keinesfalls freiwillig. Der "Peter Pan des Pop", wie der 64-Jährige wegen seiner ewig jungen Ausstrahlung genannt wird, resigniert vielmehr vor der mächtigen Allianz der Radiostationen. Ein inoffizieller Bann verhindere, dass seine Platten gespielt würden, klagt Cliff Richard: "Ich habe einfach nicht mehr Zeit und Lust, eine Platte zu produzieren, die dann niemand hören kann. Als Musiker ist man darauf angewiesen, dass die Radiosender die Platte auch spielen."
Nicht missgünstige Disc-Jockeys, sondern starre Senderstrukturen seien für den Boykott verantwortlich, glaubt Cliff Richard, der von der Queen wegen seines Einsatzes für Wohltätigkeitsorganisationen in den Adelsstand erhoben wurde. Heutzutage seien alle Stationen in ein festes musikalisches Schema gepresst worden, in dem seine Musik keinen Platz mehr finde.
Cliffs Krieg mit den Sendern begann 1998. Der populäre DJ Chris Evans weigerte sich damals als erster, seine Platten zu spielen, und breitete vor dem Mikrofon Hohn und Spott über einen Sänger aus, der 1958 mit "Move It" seinen ersten Hit hatte. Andere Sender folgten, und am Ende strich sogar eine Oldie-Station der BBC Cliffs Songs aus dem Programm. Im Krieg um Cliff wurde ein bekannter DJ gefeuert, weil er den Boykott trotzig im Alleingang durchbrechen wollte. Nach heftigen Fan-Protesten wurde die Entscheidung rückgängig gemacht.
Nachdem auch das aktuelle Album vom Bannstrahl der Sender getroffen worden war, entschloss sich der 64-Jährige einen Schlussstrich zu ziehen. "Something's Going On" war mit Country-Musikern in Nashville produziert worden. Kritiker hatten das Werk, an dem mehr als ein Jahr gefeilt worden war, hoch gelobt, aber die britischen Radiosender ignorierten die Platte.
Für den Internationalen Cliff-Richard-Club bedauerte Christine Woood gegenüber der "Daily Mail" die Entscheidung: "Vielleicht können seine Fans ihn noch umstimmen, denn wir wollen einfach weiter neue Platten von ihm hören."
Ein Trost bleibt. "Konzerte werde ich weiterhin geben, denn ich liebe die Atmosphäre über alles", versprach Sir Cliff seiner Gemeinde, die weltweit Millionen Anhänger umfasst.Cliff Richard vor den Londoner Studios des TV-Senders ITV, wo der 64-Jährige am vorigen Sonntag anlässlich des 50-jährigen Bestehens Stargast in der Sendung "Avenue of the Stars" war.
Lehre in der Fabrik
Cliff Richard kam als Harry Roger Webb im Jahre 1940 in Indien zur Welt. Als Achtjähriger kehrte er zusammen mit seinen Eltern nach England zurück. Nach der Schule machte er eine Lehre in einer Fernsehapparatefabrik. Nebenbei stand er mit den "Drifters" (später seine Begleitgruppe "Shadows") auf kleinen Bühnen. In dieser Zeit entwickelte er sich zum erfolgreichsten Rock'n'Roll-Sänger Englands.